»Ich nehme mein Leben in die Hand« Dr. Dirk Ohlmann

Ein Umdenkbuch

 

 

Teil I: Meine persönlichen Erfahrungen mit der
»Akzeptanz- und Commitmenttherapie« (ACT)

 

Ich saß im Zug auf dem Rückweg von Berlin nach Wittlich. Es war der 28. November.
In Berlin hatte ich zum wiederholten Male den Deutschen Kongress für Psychiatrie und Psychotherapie besucht und wie immer einiges Neue erfahren.
Was mich aber absolut begeistert und bis zum heutigen Tag nicht mehr losgelassen hat, war das Kennenlernen einer neuen Form der Psychotherapie, der dritten Welle der Verhaltenstherapie, die Akzeptanz - und Commitmenttherapie (in der Folge als ACT bezeichnet), die hier erstmals von Herrn Dr. Rainer Sonntag, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, als neue Methode vorgestellt wurde. Die Methode war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland gerade erst aus Amerika angekommen, wo sie schwerpunktmäßig von Herrn Professor Steven Hayes, einem bekannten amerikanischen Psychologen und Psychotherapieforscher und seinen Mitarbeitern entwickelt wurde. In der Folge besuchte ich dann viele Seminare, die mich immer weiter mit dieser Therapieform vertraut machten. Man kann sagen, dass ich quasi von der ersten Stunde an zumindest für eine gewisse Zeit mit dabei war. Meine Begeisterung konnte ich mit vielen Kollegen und Therapeuten teilen und mich mit ihnen austauschen. Viele aus dieser Zeit wenden heute diese Methode mit großem Erfolg an, sowohl bei sich selbst als auch bei ihren Patienten und haben zum Teil auch Bücher darüber geschrieben.
Ich habe ACT sehr viel zu verdanken. Es hatte mich in die Lage versetzt, meine damalige Lebenssituation zum ersten Mal von außen zu betrachten, quasi eine Beobachterposition einzunehmen. Von hier aus konnte ich wahrnehmen, wie nah oder weit ich in verschiedenen Lebensbereichen meinen Werten war. Mir wurde bewusst, dass Veränderungen notwendig waren. Die Methode hat mir dann dabei geholfen, die aktive Bereitschaft zu entwickeln, einen anderen Weg einzuschlagen und die nötigen unangenehmen Gefühle, die dabei entstanden waren, in Kauf zu nehmen. Vor allem aber war es mir gelungen, dem die Macht zu nehmen, was mir in der Vergangenheit die Möglichkeit genommen hatte, etwas in meinem Leben zu verändern: Meinem Verstand.
Nun aber zurück zum November 2008.
Nachdem ich dieses Seminar in Berlin besucht hatte und im Zug nach Hause saß, wurde mir plötzlich ganz klar:
»Ich sitze in einem Loch.«

 

Metapher (Geschichte) vom Menschen im Loch:
Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einem langen Sandfeld. Sie bekommen die Augen verbunden und einen Rucksack aufgeschnürt, von dem Sie nicht wissen, was sich darin befindet. Dann sagt man Ihnen, dass Sie loslaufen sollen. Sie tun wie befohlen und laufen los. Plötzlich fallen Sie in ein Loch. Denn man hat Ihnen nicht gesagt, dass sich in diesem Sandfeld Löcher befinden, und zwar unterschiedlich tiefe Löcher. Im ersten Augenblick sind Sie etwas erstaunt, womöglich auch entsetzt darüber, was mit Ihnen geschehen ist. Doch langsam kommen Sie wieder zu klarem Verstand (was immer das auch bedeutet, hierüber werden wir später noch einiges lernen). Nun nehmen Sie sich die Binde von den Augen und stellen fest, dass das Loch, in dem Sie gerade stehen, sehr tief ist. Dann schauen Sie in Ihren Rucksack. Das einzige, was sich darin befindet, ist eine Schaufel. Folglich beginnen Sie zu schaufeln. Sie tragen den Sand ab, um aus Ihrem Loch wieder heraus zu kommen. Je mehr Sie aber graben, umso tiefer wird das Loch. Würde man Ihnen eine Leiter reichen, würden Sie wahrscheinlich versuchen, mit der Leiter das Loch weiter auszuheben, anstatt zu erkennen, dass die Leiter ein Gegenstand ist, mit dessen Hilfe Sie tatsächlich aus dem Loch herausfinden würden.
(Passive Bereitschaft, Akzeptanz)

 

In dieser Geschichte sah ich plötzlich meine damalige Lebenssituation widergespiegelt wie sie sich mir zu diesem Zeitpunkt bot, als ich im Zug von Berlin nach Wittlich saß.
Ja, man könnte sagen, als ich am 20.12.1964 geboren wurde, begann ich los zu laufen. Ich folgte blind einem scheinbar mir vorgezeichneten Weg. Also quasi wie in der oben geschilderten Parabel marschierte ich mit verbundenen Augen los. Letztlich blieben die Augen auch lange verbunden, dergestalt, dass mir bis zu besagtem Tag im Jahr 2008 im Alter von 44 Jahren oftmals der klare Blick fehlte. Vieles tat ich, weil man mir es so vermittelt hatte. Die Handlungsanweisungen und Vorbildfunktionen kamen von den Eltern, Großeltern, Freunden und ja, auch aus der Gesellschaft oder dem allgemeinen »Mainstream« (Herdentrieb, tun, was gerade »in« ist). Auch wenn die Ratschläge und das Vermittelte und Erlernte sicherlich immer gut gemeint waren, prägten sie mich in einer Art und Weise, die ich oft nicht verändern konnte und vielleicht für mich als Individuum nicht immer hilfreich waren. Michael Balint (1896-1970), Psychiater und Psychoanalytiker sagte einmal: »Ratschläge sind wie gut gemeinte Schläge«. Ich betrachtete somit mein Handeln nicht kritisch, betrachtete mich nicht von außen, achtete vor allem nicht auf die Funktionalität meines Denkens und Handelns.
Das war ungefähr so, als trüge ich einen Mantel, der zwar sehr schön ist, der aber nicht passt. Weder in der Größe noch in der Farbe.

 

Metapher (Geschichte) von dem Mantel:
Stellen Sie sich vor, Sie sehen einen wunderschönen Ledermantel. Sie sind wie besessen davon, diesen Ledermantel zu besitzen und ihn sich anzuziehen. Das tun Sie dann auch. Allerdings müssen Sie sich völlig verbiegen, damit Sie in diesen Mantel hineinpassen. Sie müssen einen Buckel machen, auch ist der linke Arm etwas kürzer als der rechte, sodass Sie sich nach rechts drehen müssen. Und so laufen Sie dann mit einem äußerlich schönen, aber vollkommen unbequemen und unpraktischen Mantel durch das Leben. Sie werden unterschiedliche Kommentare hören, etwa: »Ist das ein schöner Mantel.« Oder aber: »Schau dir mal diesen Krüppel an, wie schief der geht.«
(Selbst-als-Konzept)

 

Mit verbundenen Augen und den oben dargestellten inneren Einstellungen begann ich also quasi von Geburt an meinen »Marsch über das Sandfeld« die meiste Zeit im »falschen Mantel«.
Die Kurzfassung dieses Weges bis hier und heute lautet ungefähr wie folgt:
Der Beginn war der meiner Geburt am 20. Dezember 1964 in Neunkirchen im Saarland. Der Weg ging über Schule, Abitur, Medizinstudium.
Aus dieser Zeit sind mir noch viele mein Leben prägende und meine Persönlichkeit (»Ich«) bildende Bilder, Momente und Aussagen in Erinnerung.
In frühen Kindheitstagen lebte ich in einer Großfamilie mit – mich eingerechnet – vier Generationen unter einem Dach: Meine Eltern, meine Großeltern, meine Urgroßeltern und ich. Im Grunde war also immer jemand für mich da. An relevante Streitereien konnte und kann ich mich rückblickend nicht erinnern. Diese für mich zumindest so erlebte Harmonie bestimmte lange Zeit meine Vorstellung vom Leben.
Da kamen auch frühe Bilder von meinem sicherlich liebenden Vater auf der einen Seite – ein Nachkriegskind – und seine Aussagen auf der anderen Seite wie: »Ein Indianer kennt keinen Schmerz«, »ein Blick genügt, und mein Sohn funktioniert«.

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